Zeitzeugenbesuch an der JKS - Was bleibt von der Vergangenheit außer unseren Erinnerungen?

Zeitzeugin Edith Erbrich gibt den Schülern der Johannes-Kepler-Schule eine wichtige persönliche Perspektive auf die Schrecken der NS-Herrschaft
Johannes-Kepler-Schule

Zum wiederholten Male besuchte Edith Erbrich am 23. und 24.5. die Johannes-Kepler-Schule in Neuhof, um Schülerinnen und Schülern der oberen Jahrgangsstufen einen ebenso lebendigen wie ergreifenden Einblick in eine Vergangenheit zu gewähren, die im Bewusstsein der Schüler lange zurückliegen mag und es dennoch nicht ist.

Edith Erbrich, 1937 als Edith Bär in Frankfurt geboren, sprach an zwei Tagen vor und mit Neunt- und Zehntklässlern über ihre Erinnerungen an das Leiden unter den Nationalsozialisten. Am 14. Februar 1945, zu einem Zeitpunkt als das KZ Auschwitz bereits von der roten Armee befreit war und der Untergang des NS-Regimes feststand, wurde Frau Erbrich mit dem letzten großen Transport aus Frankfurt nach Theresienstadt deportiert, weil sie einer - im Jargon der Zeit so genannten - christlich-jüdischen Mischehe entstammte. Laut amtlichem Bescheid sollte die damals Sechsjährige samt ihres jüdischen Vaters und ihrer Schwester zum Arbeitseinsatz nach Theresienstadt gebracht werden.

Sehr schnell aber wird deutlich, welchen Charakter das Lager wirklich besitzt. Erbrich berichtet eindringlich von der Angst, welche die Trennung zu ihrem Vater bewirkt und mit welcher Brutalität die weiblichen Aufseher sie und ihre Schwester drangsalieren. Sie schildert nüchtern und ergreifend zugleich, wie ein Zug mit Süßigkeiten angekündigt wird und dieser dann Leichen transportiert, für die ihre Schwester am Tag zuvor eine Grube ausgehoben hat.

Aber nicht nur die unsäglichen Schrecken des KZ-Theresienstadt auch Frau Erbrichs Kindheitserinnerungen an Frankfurt a.M., jener Stadt, die wir heute als weltoffen und multikulturell erleben, sind durchdrungen von Herabsetzung und antisemitischer Schikane.

Die Schülerinnen und Schülern vernehmen all diese Berichte aufmerksam und stellen interessiert Fragen, die die Zeitzeugin emotional, doch mit fester Stimme beantwortet. Auf die Frage, warum sie nach all dem in Deutschland geblieben sei, antwortet Frau Erbrich ohne jede Bitterkeit, das Deutschland ihre Heimat und ihr Schicksal sei. Diese Antwort aus Frau Erbrichs Mund ist ergreifend und zeigt, welche Nuancen mitunter den eigentlichen Wert eines Zeitzeugenberichts ausmachen. Holger Wehrle, Organisator der Veranstaltung und Politik-Lehrer an der JKS beschreibt die Bedeutung von Zeitzeugen mit folgenden Worten: „Es wird nicht mehr viele Jahrgänge geben, denen eine persönliche Begegnung mit einer Holocaust-Überlebenden möglich ist. Deshalb sind solche Veranstaltungen von unschätzbarem Wert. Unser Blick auf die NS-Zeit wird sich verändern, wenn niemand mehr aus persönlicher Betroffenheit davon berichten kann. Das bereitet mir Sorgen, denn der Holocaust verträgt keine Relativierungen."

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